Transalp 2010 - Rund um den Augsburger Süden

 

Planung und Vorbereitung

Es ist bereits die Mitte des Julis durch, als wir uns dieses Jahr erstmals Gedanken in Bezug auf einen Sommerurlaub machen. Der warme und halbwegs trockene Teil des Sommers liegt wahrscheinlich schon lange hinter uns. Zumindest in Bayern ist es seit Tagen nur nass und alles andere als warm.

Nach sieben Jahren Durch-die-Alpen-Radlerei bzw. entsprechenden Versuchen dieses Gebirge regelgerecht zu überqueren, haben wir nicht mehr vor, ein achtes Jahr in gleicher Art und Weise hinzuzufügen. Erste Gedanken bringen uns schnell auf die Idee, wieder einmal mit Auto und Campingausrüstung nach Südfrankreich oder Italien zu ziehen. Klar, die Räder kommen mit. Vor allem Elisabeth brennt darauf, ihre vor zwei Monaten zugegangene Neuerwerbung endlich richtig ausprobieren. Der schicke weiße Bolide möchte endlich mal in die Berge. In unseren Breitengraden ergab sich wegen des mäßigen Wetters bislang kaum eine Gelegenheit dazu. Selbst der Gardasee kommt als mögliche Destination in die nähere Auswahl. Wir sind wahrscheinlich die einzigen deutschen Radfahrer, die schon wochenlang durch die Alpen gekreuzt sind, ohne dabei den südlichsten deutschen See auch nur einmal gesehen zu haben. Nach allem, was wir von diesem legendären Gebiet gehört haben, würden uns dort schier unglaubliche Abfahrten, allerdings auch größte, fahrtechnische Herausforderungen erwarten, denen wir wahrscheinlich überhaupt nicht gewachsen wären.

Während Elisabeth und ich immer noch abendliche Diskussionen zu diesem Thema führen, versuche ich nach einigen Tagen zumindest an meiner Arbeitsstelle schon einmal die Voraussetzungen für einen Urlaub zu schaffen. Ich trage meinem Chef, wie schon in den Jahren zuvor, meinen Wunsch nach gut drei Wochen Urlaub zwischen Ende August und Mitte September vor. Auch die letzten Jahre hatten wir immer in diesem Zeitraum Urlaub gemacht.

Eigentlich ist es klar, dass es auch dieses Mal nur eine kleine Formalie ist, meinen Urlaub zu reservieren. Mein Chef weist mich allerdings auf eine neue Regelung hin, die dieses Jahr in unserem Büro eingeführt wurde. Es gibt jetzt offiziell 4 Arbeitsgruppen. Jeder ist Mitglied in einer dieser Gruppen. Wenn einer Urlaub möchte, muss er sich selbst mit allen anderen Mitgliedern seiner Gruppe abstimmen, bevor er zum Chef kommt. Mehr als einer aus der Gruppe darf niemals in Urlaub gehen.

Und genau hier fängt das Problem an. Ich habe nur zwei Kollegen in meiner Gruppe. Einer von den beiden ist erst letzte Woche aus dem Urlaub zurückgekommen und möchte im Oktober nochmals zwei Wochen nach Südtirol fahren. Der andere allerdings hatte dieses Jahr auch noch keine arbeitsfreie Zeit und will unbedingt die drei letzten Wochen im August wegfahren. Damit überschneiden sich unsere Wünsche in der letzten Augustwoche.

Wir werden uns trotz all meiner Bemühungen einfach nicht einig, d. h., er will partout nicht nachgeben. Schließlich verständigen wir uns darauf, dass wir unserem Chef vorschlagen, eine Ausnahme zu machen, und uns diese eine Woche beide in Urlaub gehen zu lassen.

Bei unserem Chef gibt es zu diessem Thema gar keine langen Diskussionen. Er macht uns klar, dass entweder einer oder keiner Urlaub macht und schlägt vor, das Los entscheiden zu lassen. Da mein Kollege sofort einwilligt, bleibt mir nichts anderes übrig, als auch mitzumachen.

Als ich das längere Streichholz zwischen Daumen und Zeigefinger halte, kann ich es kaum glauben. Obwohl ich bei solchen Aktionen sonst immer verliere, hat es heute geklappt. Mit zusammengekniffenen Lippen kondoliere ich meinem Kollegen und mache mich schnell aus dem Staub, um meinen Triumph geniesen zu können. Kurz vor Feierabend wünscht mir mein unterlegener Kollege ein schönes Wochenende und teilt mir im Gehen noch mit, dass seine Frau ihren Urlaub ebenfalls schon verlegt habe. Sie machen jetzt erst ab Mitte September eine Reise, dann sei es ohnehin billiger.

Als ich am Abend alle Einzelheiten dieser Geschichte vor Elisabeth ausbreite, reagiert diese allerdings nicht ganz so, wie ich es erwartet habe. 

«Das ist ja jetzt ganz toll. Du hättest mich wenigstens fragen können, ob ich da überhaupt Zeit habe.»

«Ich habe gedacht, das wäre klar. Wir sind doch immer in der letzten Augustwoche gefahren.»

«Meine Güte. Ich hab ́ Dir mindestens fünfmal gesagt, dass ich Ende August eine Jahresbilanz fertig haben muss und das schaffe ich nicht früher. Aber Du hörst mir ja nie zu. Ich kann frühestens Ende August Urlaub machen.»

Da ich jetzt sehr genau zugehört habe, werde ich doch etwas nachdenklich. Ich kann es wohl kaum bringen, am Montag zu meinem Kollegen zu gehen und ihn um eine Verschiebung seines Urlaubs zu bitten. Wenn ich nicht völlig unglaubwürdig werden will, muss ich den genehmigten Urlaub jetzt auch  nehmen. Wir vertagen die innerhäusliche Diskussion erst einmal auf den nächsten Tag.

Am Sonntagabend ist endlich eine halbwegs zufriedenstellende Lösung gefunden. Ich hatte als erstes den Vorschlag gemacht, die beiden ersten Septemberwochen auf einem Campingplatz am Gardasee oder in dessen weiterer Umgebung zu verbringen. Ich würde einfach ein paar Tage vorher mit dem Rad losfahren und Elisabeth sollte mit Auto und Campingzeug nachkommen.

„Das finde ich jetzt überhaupt nicht fair. Zuerst heißt es, dass wir dieses Jahr keinen Radurlaub machen und dann wird plötzlich doch einer gemacht und ich soll daheim bleiben und darf dafür auch noch das Auto hinterherfahren. Du willst wohl bloß nicht, dass ich mitfahre.“

Der Kompromiss sieht irgendwann so aus, dass ich zwar ein paar Tage früher mit dem Rad losfahre, Elisabeth aber dann nicht mit dem Auto, sondern mit dem Zug nachkommt und wir anschließend zwei Wochen gemeinsam mit den Rädern durch die Gegend fahren.

Es bleiben uns jetzt noch ziemlich genau drei Wochen für die Planung und Vorbereitung. Als Hauptproblem stellt sich dabei schnell das Finden eines Treffpunktes heraus, den sowohl ich mit dem Rad als auch Elisabeth mit dem Zug jeweils ohne allzu große Strapazen erreichen können. Meinerseits kommt schließlich noch der Wunsch hinzu, dass nach Abschluss der Tour keine Bahnfahrt mit einer Dauer von mehr als drei Stunden bzw. mit mehreren Umstiegen nötig sein darf. Bei dem Gedanken an die letztjährige Heimfahrt von Genua überkommt mich heute noch ein unbehagliches Schaudern.

Nach einem einstündigen Besuch am Augsburger Bahnhof kommt Elisabeth mit einer schlechten Nachricht nach Hause: auf allen von ihr nachgefragten Strecken sind für das geplante Wochenende absolut alle Fahrradstellplätze in den Fernzügen ausgebucht. Erst am Montag wären wieder Plätze zu haben.

Am Abend recherchieren wir auf der Suche nach Alternativen stundenlang in der Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn. Die letztendlich einzige verbleibende Möglichkeit scheint die Strecke in das Etschtal zu sein. Mit 5 bis 6 Umstiegen und viel Zeit wäre es zu schaffen, innerhalb eines Tages auch mitNahverkehrszügen von Augsburg an den südlichen Rand der Alpen zu kommen. Wir einigen uns schließlich auf Bassano del Grappa als gemeinsames Ziel. Elisabeth wird dafür gut 11 Stunden mit der Bahn unterwegs sein. Ich habe im Gegenzug neun großzügig bemessene Tage zur Verfügung, um ebenfalls dorthin zu kommen.

In der wenigen noch verbleibenden Zeit erfolgt die Schnellplanung der Strecke ab Bassano mit Hilfe von Google und seinen Karten. Nachdem die Wunschlinie steht, kommt die Recherche im Internet. Bald stellen wir fest, dass die Strecke zwischen Bassano und Slowenien ein weißer Fleck auf der Landkarte der Bergradler zu sein scheint. Notgedrungen bestelle ich bei Amazon schnell ein paar Landkarten, um mich selbst nach Möglichkeiten umzusehen. Es gibt hier erstaunlich wenige Wanderwege in den weiten Bergwäldern. Wir wählen die schönsten roten Linien Richtung Slowenien aus. Danach soll es über die Karnischen Alpen wieder zum Alpenhauptkamm und weiter in Richtung Augsburg gehen.

thumb Transalp 2010   Rund um den Augsburger Süden 01Auf eine nähere Planung der Anfahrt nach Bassano verzichte ich aus Zeitgründen. Ein paar Tipps aus der Zahnfibel und den Traumtouren Transalp genügen, um die Linie vorzugeben. Ich denke, dass ich hier keine Orientierungsprobleme bekommen werde. Entweder hilft mir das GPS oder ich verfolge einfach andere Alpenüberquerer, die hier wahrscheinlich in größeren Mengen anzutreffen sein werden. Am Gardasee heißt es dann, scharf links abbiegen und Richtung Pasubio halten. Vorsichtshalber kopiere ich mir für diesen Teil ein paar Kartenausschnitte und finde auch ein paar Tracks im Internet. Auch für Slowenien und den Karnischen Hauptkamm mache ich einige Dateien auf den einschlägigen Webseiten ausfindig.

Statt mit weiterer Routenplanung verbringe ich einen Großteil der noch verbleibenden Zeit lieber damit, meine Ausrüstung zusammenzustellen. Inspiriert durch den größten, noch lebenden deutschen Bergsoloradler, genannt Alpenzorro, und dessen Erlebnisberichten im Internet, habe ich für meine erste kleine Einmann-Tour ein paar Neuerungen vorgesehen. Auf seiner diesjährigen, gerade zu Ende gegangenen Tour hat er vorgemacht, wie man auch mit Zelt und Schlafsack langweilige Forstwege und Asphaltbänder vermeiden kann.

Als Elisabeth mitbekommt, dass ich mir im Internet Schlafsack und Superleichtzelt bestellt habe, versorgt sie sich vorsichtshalber ebenfalls noch mit einem neuen Schlafsack und zusätzlich einer Leichtmatratze, wie ich sie schon längerem besitze. Aufgrund des Zuwachses an Ausrüstungsteilen erwäge ich erstmals den Einsatz eines Gepäckträgers. Auch hier dient der Alpenzorro mit seinem gekürzten Sattelstützenträger als Vorbild. Ein mehrstündiger Praxistest mit voller Ausrüstung endet allerdings desaströs für meinen rechten Oberschenkel. Ich hätte das abgesägte Ende des Trägers wohl irgendwie mit Klebeband unschädlich machen sollen. Da ich dies versäumt habe, genügt schließlich ein nicht vorgesehener Schnellabstieg vom Sattel, um einem meiner größten Muskel mit einer sehr ansehnlichen, ca. 15 cm langen und ordentlich tiefen Furche zu versorgen. Ich verzichte doch lieber auf ein spezielles Gepäckabteil. Zelt und Luftmatratze finden auch so irgendwie ihren Platz am Rad.

Auf Tour

Die Zeit nach dem Ende unserer aktiven Zeit als Alpenüberquereraspiranten und vor dem Beginn der altersbedingten Nutzung von batteriebetriebenen, zweirädrigen Bewegungshilfen (E-Bikes) haben wir uns mit einer kleinen Rundtour durch die durchaus wundersame Landschaft südlich unserer Heimatstadt vertrieben.
 
Am 21. August 2010 sind wir frühmorgens an unserer Haustür gestartet und haben am 14. September 2010 spätabends unsere Räder wieder in ihrer Heimatgarage abgestellt.
 
 

1329.1 km, n/a

! Punktzahl des Tracks ist auf max. 1.000 reduziert, so bleibt noch Raum für die eigene Fantasie !